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Ein Ghasel

Ich blicke auf die lichte Welt durchs Gitter,
ich kann und will nicht weg von meinem Gitter;
es ist so schön zu sehen, wie das Leben braust
und tost und wogt und brandet an mein Gitter;
so schmerzvoll froh und lockend es dort rauscht
mit Sang und Lachen draußen vor dem Gitter.

Von Erlen und von Espen glänzt die Au,
am Berghang steht der Föhren grünes Grau,
es steigen frische Düfte an mein Gitter.
Und in der Bucht welch lichter Sonnenschein!
In jedem Tropfen ist ein Edelstein,
sieh! wie es schimmert herrlich durch das Gitter!

Die Kähne dicht an dicht sich drängen
bei frohem Sang und muntren Hörnerklängen,
es strömen frohe Menschen ohne Zahl
zu einem bunten Fest in Berg und Tal.
Ich will, ich will, ich werde, muß hinaus
und Leben trinken dort bei Sang und Saus,
will nicht ersticken hinter diesem Gitter!

Vergebens will ich biegen, will zerspleißen
das alte unbeweglich harte Gitter
— es dehnt sich nicht, es will und will nicht reißen,
in mir geschmiedet und genietet ist das Gitter,
erst wenn ich selbst zerbreche, bricht das Gitter.



 Gustaf Fröding, Schilf, Schilf, rausche. Ausgewählte Gedichte
 übersetzt von Klaus-Rüdiger Utschick, ©1999